"Hallo - woher kommst Du?" Ich drehte mich überrascht um, als ich ein sanftes Tippen auf meiner Schulter verspürte, nachdem ich mich kurz nach meiner Ankunft in San Francisco für eine Weile an der "Palo/Market" Straße umgesehen hatte. Ich blickte in zwei freundlich lächelnde orientalische Gesichter und folgte meinem offenen Wesen entsprechend der Einladung zu ihrem "Internationalen Studenten Club", der wie ich später erfahren sollte, CARP heißt - Eine Studentenorganisation der Vereinigungskirche des Koreaners Sun Myung Mun. Aus der unverbindlichen Einladung und meinem 3-wöchigen Amerika-Urlaub wurden 6 1/2 Jahre. Wohl die schwersten meines Lebens. Und doch glaubte ich vom ersten bis letzten Moment, daß ich aus freiem Willen diesen Weg ging, und daß ich jederzeit gehen könnte, wenn ich wollte. Doch ich wollte halt nicht. - D.h., eigentlich konnte ich nicht.-
Was ist Bewußtseinskontrolle?
Das Phänomen der Bewußtseinsveränderung wurde zürst von dem amerikanischen Psychologen Dr. R. J. Lifton beleuchtet, der zur Behandlung der nach Beendigung des Koreakrieges von Nord-Korea freigelassenen amerikanischen Kriegsgefangenen hinzugezogen wurde. Man hatte die erschreckende Feststellung gemacht, daß sich ihr Bewußtsein durch die Gefangenschaft dramatisch verändert hatte, und zwar so drastisch, daß sie einen heftigen, ideologisch geprägten Haß gegen ihr Land und dessen Wertvorstellungen äußerte. Die Betreffenden hatten nicht einmal den Wunsch, zu ihren Familien und Freunden zurückzukehren. In den Untersuchungen wurde deutlich, daß man sie mit klug aufeinander abgestimmten Mitteln einem permanenten emotionalen, physischen und psychischen Druck ausgesetzt hatte, der über die Dauer ihrer Gefangenschaft den völligen Zusammenbruch oder die Verschüttung ihrer früheren Persönlichkeit und die Entwicklung einer neün, dominanten Identität bewirkte.
Die Methoden
Zu den Druckmitteln gehörten die Anwendung und Androhung von Gewalt; soziale und emotionale Isolation; ungenügend Nahrung und Schlaf; ständiger Umgebungswechsel und ständige, erschöpfende Beschäftigung, um die Gefangenen zu desorientieren, ihre geistige Widerstandskraft zu mindern, und sie von ihren Erinnerungen an Dinge und Menschen vor der Gefangenschaft zu lösen. Hinzu kam ein rigoroses Arbeitspensum und eine anhaltende überflutung mit kommunistischen Ideen, so daß die Gefangenen keine Möglichkeit zu kritischer Distanz und Selbstreflexion hatten. Jeder Bezugsrahmen wurde ihnen genommen, ihre Vergangenheit mit allen Werten und Erfahrungen lächerlich gemacht, bzw. verteufelt. In seinem 1961 erschienen Buch "Thought Reform and the Psychology of Totalism" beschrieb Dr. Lifton diese Methoden, die ebenfalls im China Maos in den frühen fünfziger Jahre angewandt worden waren, um eine umfassende geistige, gefühlsmäßige und körperliche Beherrschung von in Haft genommenen Europäern und großen Gruppen führender chinesischer Intellektueller zu erreichen. Die Indoktrination war so effektiv, daß sie alle Schichten Chinas erreichte und die totalitäre Herrschaft des Kommunismus bis zum heutigen Tage aufrecht erhalten hat. Die intellektuelle Elite Chinas wurde jedoch nicht in Arbeitslagern, sondern in "revolutionären Universitäten" umerzogen. Viele Aspekte der Gewaltanwendung fehlten hier, da der subtilere emotionale Druck der Bewußtseinsveränderung sich als gleichermaßen wirkungsvoll erwies. Lifton unterteilt die Aspekte der Bewußtseinskontrolle in:
Egal, wie wundervoll der Zweck und wie liebenswert die Mitglieder sind - wenn eine Gruppe alle acht Elemente Liftons verwendet, dann operiert sie im Bereich der Bewußtseinskontrolle. Handelt es sich um eine religiöse Gruppe, so könnte man sich auch fragen ob Gott wirklich auf solche Mittel der Täuschung und Manipulation zurückgreifen muß.
1. Die Milieukontrolle bedeutet die Kontrolle der Kommunikation und der Umgebung eines Individuums, und somit die gezielte Veränderung des Umgangs des Einzelnen mit sich selbst und seiner Umwelt. Am Beispiel der Kriegsgefangenen in Korea wird deutlich, wie die Isolation der Gefangen, das Arbeitsprogramm und ständiger Ortswechsel ein inneres Ungleichgewicht und somit eine geschwächte Abwehrkraft und Kritikfähigkeit bewirkte. Die Gefangenen konnten sich schließlich nicht mehr gegen die Flut von kommunistischem Gedankengut zur Wehr setzen. Der Psychologe Leon Festinger erklärte in seiner "Theorie von der kognitiven Dissonanz" schon 1950, daß, wenn man das Verhalten eines Individuums ändert, sich auch seine Gedanken und Gefühle verändern werden, um die Dissonanz zu minimieren." Mit Dissonanz ist hierbei der Konflikt gemeint, der entsteht, wenn ein Gedanke, ein Gefühl oder ein Verhalten im Widerspruch zu den beiden anderen verändert wird. Bei unseren CARP-workshops bemerkte kaum einer die starke Reglementierung des Tagesablaufes, die exzessive Vorlesungszeit, bei der absolute Aufmerksamkeit verlangt wurde und zugleich Fragen und Kritik mit "Später! Sei geduldig - die nächste Lektion wird Deine Fragen beantworten!" abgetan wurden. Kein Kontakt zur Außenwelt. Wir wurden mit "Liebe" überschüttet, augenscheinlich aufrichtige Zuneigung und Interesse an der eigenen Person. Doch, wie ich später herausfinden sollte, galt dies nur den "Neulingen" - sobald man die "Prinzipien" als Wahrheit akzeptiert und dem Messias Mun sein Leben verschrieben hatte, wandelte sich das Bild drastisch: Man mußte nun die gleichen Bedingungen und Ansprüche erfüllen wie alle anderen Mitglieder und erhielt Liebe und Anerkennung nur auf extrem konditioneller Basis: Wenn man seine vorgeschriebenen Ziele erreichte und seiner vorgesetzten Leitfigur (Central Figure) und somit Mun absolut gehorsam war. Die anfänglichen 7 Stunden Schlaf während der workshops verringerte sich auf 4 bis 5, manchmal auch nur 2 bis 3 Stunden, sobald man Mitglied wurde und einem die Geldsammel- und Mitgliederwerbungsmissionen "zum Wohle der Menschheit", zum Bau des himmlischen Königreiches unter Muns Herrschaft aufgebürdet wurden. Als ich eine ehemalige Freundin treffen wollte, schrie meine Leitfigur "Warum? Das ist Satan! Geh doch mit Satan!" Natuerlich ging ich nicht. Rückblickend kann ich sagen, daß ich als Munie in gewisser Weise wirklich ein anderer Mensch war - meine Sektenidentität bestimmte all mein Denken und Handeln.
2. Mystische Manipulation bedeutet, daß um die Leitfigur einer Gruppe eine mystische Aura erzeugt wird, um diese als erhaben und moralisch perfekt darzustellen, und den Absolutheitsanspruch seiner Doktrin zu rechtfertigen. Mun wird wie gesagt als Messias dargestellt, seine Lehre ist somit Gottes Wort und über alle Zweifel erhaben. Wer doch zweifelt oder sie gar verwift ist halt von Satan "invasiert". Wir versuchten also Zweifel und negative Informationen über die Gruppe entsprechend der oft wiederholten Anweisungen unserer Leiter als "Satans Angriffe" abzublocken.
3. Aufgrund der Lehre, daß die Ursünde und Ursache allen menschlichen Leidens der Mißbrauch sexüller Liebe ist, wird in der Vereinigungskirche die Forderung nach absoluter Reinheit gestellt. Hatten wir auch nur entfernt sexülle Wünsche oder Gedanken, z.B. gegenüber einer "Schwester" (weibliches Mitglied) oder einer Frau, der wir beim missionieren begegnet waren, so mußten wir Buße tun, es unserer Leitfigur beichten (4.) und, nachdem er uns kräftig gescholten und zum Teil sogar geschlagen hatte, fasten oder kalt duschen, um geistige Bedingungen zur Trennung von Satan und Wiedergutmachung zu erfüllen. Das ging soweit, daß zum Teil auf großen Mitgliederversammlungen regelrechte "Beichtzeremonien" veranstaltet wurden, wo ein jeder allen seine "Sünden" bloßlegen sollte, um Satan bloßzustellen und sich von ihm zu befreien. Die Sünden waren nach dem Beichten jedoch nicht vergeben, wie ich zu spüren bekam, sondern wurden von unseren Leitern oft an späterer Stelle hervogeholt um uns zu erinnern, wie "schlecht" wir waren, wie sehr wir die Vereinigungskirche brauchten (nicht sie uns) - und wie inkompetent wir Sünder waren, eigene Entscheidungen zu fällen. "Danke Herr, für die Abfuhr durch meinen Leiter! Ich brauchte sie wohl, um mich von Satan zu trennen. Ich bin so sündig und schlecht - wie kann ich daran denken, eigene Wege zu gehen?!" Das war einer der Gedanken, die ich mir oft wiederholte, um meine Situation und das Verhalten meines Leiters zu rechtfertigen und zu akzeptieren.
5. Da die Lehre Muns Anspruch erhebt, die absolute Wahrheit zu sein, bedient sie sich pseudo-wissenschaftlicher Methoden, um ihren Anspruch zu untermauern. Dabei stellt sie zum einen großzügige Verallgemeinerungen auf, konzentriert sich jedoch gleichzeitig auf Details wie Eigenschaften der Polarität, die z.B. in geistliche Bereiche übertragen werden um komplexe Beziehungen wie die zwischen Menschen klischeehaft auszudrücken (6.). Auch werden berühmte Wissenschaftler zu öffentlichen Veranstalungen der VK eingeladen, die zur Sphäre der intellektuellen Legitimität beitragen (5.).
7. In der VK wurde uns beigebracht, daß der Zweck die Mittel heiligt, und daß es "o.k." ist, jemanden zu täuschen, z.B. indem man ihm verheimlichte, für welche Gruppe wir warben bzw. unsere Bilder verkauften - solange es dem "himmlischen Ziel" (der Errichtung der "Idealen Welt" unter der Herrschaft des Messias Mun) und somit dem Wohl des "Objekts" diente (wir versuchten schließlich, ihm zu helfen, eine geistige Verbindung zum Messias Mun herzustellen.) Nur seine Ideen zählen (8.). Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Mein tiefstes "ich" sträubte sich jedoch immer dagegen, neü Leute in die Gruppe zu werben, da ich wußte, welch ein schwerer Weg des Leidens und der Entbehrung auf sie wartete. Aber auch diese Hürde wurden wir gelehrt zu überwinden, denn "welche Ehre ist es, dem Messias folgen zu dürfen und somit unsere Sünden wiedergutzumachen! Wie können wir erwarten, ein leichtes, glückliches Leben zu führen, wenn Gott und der Messias wegen der Sünden der Welt leiden? Durch unser Leiden und unsere Entbehrung können wir uns "unserem Vater" verbunden fühlen. Das ist eine tiefere, ewige Form der Freude und Glückseligkeit!"
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2. Mystische Manipulation
3. Forderung nach Reinheit
4. Kult des Sündenbekenntnisses (Beichtkult)
5. Geheiligte Wissenschaft
6. Manipulation der Sprache
7. Vorrang der Lehre über den Menschen
8. Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung
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